Unfreiwilliger Harnverlust beim Sport: Was steckt dahinter?

Veröffentlicht am: 11.03.2024

Starke Muskeln, aber schwache Blase – eigentlich sollte man meinen, dass fitte Menschen weniger körperliche Anfälligkeiten zeigen. Doch in Bezug auf Inkontinenz bei schweren körperlichen Aktivitäten wie Springen oder Gewichtheben trifft es ausgerechnet sportliche Frauen. Warum ist das so?



Weiblich, sportlich, inkontinent 
Harninkontinenz bei Frauen wird häufig als eine post-partale oder post-menopausale Störung angesehen. Dabei trifft der unfreiwillige Harnverlust Frauen in allen Altersklassen. Jüngste Forschungen zeigen eine überraschend hohe Prävalenz der Harninkontinenz bei jungen, nulliparen Sportlerinnen
1 – insbesondere, wenn sie Basketball, Volleyball2 oder aktuelle Trendsportarten wie CrossFit oder hochintensives Intervalltraining (HIIT) betreiben. Der Harnverlust wird verursacht, wenn der intraabdominale Druck auf dem Beckenboden konstant hoch ist.2 Durch die hohe Beanspruchung und die oftmals intensiven Wiederholungen der Übungen ist das Risiko für Harninkontinenz bei diesen sogenannten High-Impact-Sportarten erhöht. Die Prävalenzrate kann in dieser Population bis zu 80 % erreichen.3


20% der Betroffenen meiden Sport 
Bisher wird vom „Tabuthema“ Beckenbodendysfunktionen und Harninkontinenz bei jungen, sportlichen Frauen noch nicht häufig berichtet. Folglich kann eine Belastungsinkontinenz in dieser Population unterdiagnostiziert und unterbehandelt sein. Die Auswirkungen können eine verringerte Leistung oder sogar die Vermeidung von sportlichen oder körperlichen Aktivitäten insgesamt bedeuten: Rund 20 % der Frauen verzichten aufgrund ihrer Harninkontinenz auf den Sport. Das zeigt, wie hoch der Einfluss der Dysfunktion auf die soziale, emotionale und psychische Gesundheit bei betroffenen Frauen ist.
2 Zudem kann die Harninkontinenz im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität ein Indikator für Harninkontinenz im späteren Erwachsenenalter sein.


Auch das Sexleben leidet 
Nicht nur Aktivitätseinschränkungen, sondern auch sexuelle Probleme können eine Folge der Belastungsinkontinenz bei Sport sein. Eine Auswertung validierter Fragebögen zeigt: Unter nulliparen Athletinnen ist neben der Harninkontinenz auch die Prävalenz der sexuellen Dysfunktion hoch.3 Funktionsstörungen bei Orgasmus und Lubrikation waren dabei die häufigsten Probleme. Auch das Risiko, Schwierigkeiten im sexuellen Verlangen zu zeigen, ist bei inkontinenten Sportlerinnen erhöht. Insgesamt steigt das Risiko für Libidoverlust auf das 2,7-Fache an im Vergleich zu kontinenten, sportlichen Frauen.



Zusätzlich zeigt sich: Je häufiger die Frauen trainieren, desto gefährdeter ist ihre Sexualität. Denn das Risiko für die Entwicklung von Belastungsinkontinenz und sexueller Dysfunktion steigt mit der Regelmäßigkeit und der Anzahl von Trainingsstunden.2,3,4 Doch nicht nur das Risiko für die Harninkontinenz an sich steigt, sondern auch deren Bandbreite. Bei passionierten Sportlerinnen kann es nicht nur während des Trainings zum unfreiwilligen Harnverlust kommen, sondern auch in anderen Kontexten, wie z.B. beim Lachen oder bei Aktivitäten des täglichen Lebens.4




Belastungsinkontinenz: Was sind die Ursachen? 
Es wird angenommen, dass den betroffenen Athletinnen oft eine ausreichende Beckenbodenstärke und Koordination fehlt, um einem sportbedingten Anstieg des Abdominaldrucks standzuhalten.1 Die Studienergebnisse von dos Santos et al. zeigen jedoch das Gegenteil: Sie stellten fest, dass inkontinente Athleten eine stärkere Beckenbodenmuskulatur (gemessen am Perineometer) aufweisen als kontinente Sportlerinnen. Ein Unterschied in der Bauchmuskelfunktion konnten nicht feststellt werden. Die Autoren machen häufige Co-Kontraktionen zwischen den Muskelgruppen für den positiven Zusammenhang zwischen kräftiger Bauch- und Beckenbodenmuskulatur und der Inkontinenz bei den betroffenen Athleten verantwortlich. Durch Sprünge und Richtungsänderungen als charakteristische Bewegungen beim High-Impact-Sport könnte der Beckenboden verschoben werden.2

Auch Frauen bei Low-Impact-Sportarten, wie Joggen oder Wandern, sind von Belastungsinkontinenz betroffen. Bei ihnen geht man von Muskelermüdung als Ursache aus.2




Quellen:
1 Casey EK & Temme K, Pelvic floor muscle function and urinary incontinence in the female athlete. THE PHYSICIAN AND SPORTSMEDICINE, 2017, VOL. 45, NO. 4, 399–407
2 Teixeira R et al. Prevalence of urinary incontinence in female athletes: a systematic review with meta-analysis. International Urogynecology Journal (2018) 29:1717–1725
3 Dos Santos KM et al. Female sexual function and urinary incontinence in nulliparous athletes: An exploratory study. Physical Therapy in Sport 33 (2018) 21e26 4. Logan BL et al. Urinary incontinence among adolescent female athletes. Journal of Pediatric Urology (2018) 14, 241.e1–241.e9

Bildquelle: © iStock.com/jacoblund (Symbolbild)

 


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