Prellungen, Stauchungen und Verrenkungen im Sport
Veröffentlicht am: 30.09.2024
In Österreich ist die Traumatologie besonders zur Schisaison gefordert. Neben den Knochenbrüchen, die vom Heilungsprozess her einfacher und günstiger ablaufen, sind nun Prellungen, Verstauchungen und Verrenkungen en vogue. Apotheker:innen in Schiorten kommen dann mit der Nachbestellung von Verbandsmaterial und Cool-pads kaum nach. Ältere fühlen sich an Georg Kreislers legendäres Lied „Sport ist gesund!“ erinnert, der das satirisch in seinem Kabarett thematisierte.
Abbildung: Empathie und schnelle Hilfe - bei Prellungen, Stauchungen und Zerrungen ist Vorsicht geboten.
Bei der Prellung (Contusio) kommt es zur Schädigung des Körpergewebes, weil der Körper gegen einen harten Gegenstand stößt, Stürze aber auch Schläge sind eine mögliche Ursache. Die Hautoberfläche bleibt unversehrt, darunter kommt es zu Blutungen, die sich als „blaue Flecken“ zeigen. Vorsicht ist besonders bei Prellungen im Schädel- und Bauchbereich geboten und ärztliche Beratung empfohlen, da durch die Gewalteinwirkung auch Gehirn und Innenorgane einen unter Umständen lebensbedrohlichen Schaden genommen haben können, der sich manchmal erst Stunden nach dem Unfall manifestiert. Eine Verstauchung (Distorsio) liegt dann vor, wenn ein Gelenk über seinen normalen Bewegungsradius hinaus bewegt wird, im äußersten Fall kommt es dadurch zu einer Verrenkung (Luxatio), bei der die Gelenksflächen ihren Zusammenhalt verlieren. Eine weitere wichtige Pathologie im Zusammenhang mit Sportunfällen ist die Zerrung (Distensio). Sie betrifft Muskeln, Sehnen und Bänder und entsteht durch Überdehnung dieser Strukturen. Im schlimmsten Fall können diese Organe teilweise oder komplett reißen.1
Akuttherapie bei Prellungen, Stauchungen und Verrenkungen
Die Akuttherapie der Muskel- und Gelenksverletzungen basiert grundsätzlich auf vier Maßnahmen, die sich unter dem überaus passenden Akronym „PECH“ zusammenfassen lassen:
- Pause
- Eis
- Compression
- Hochlagerung
Im Englischen etwas weniger spektakulär „RICE“ für rest, ice, compression, elevation. Das Rationale dazu: Die Ruhigstellung verhindert eine weitere Schädigung der verletzten Struktur durch fortgesetzte Belastung. Die Kühlung führt zu Gefäßkontraktion und Verlangsamung des Stoffwechsels, weitere Einblutung ins Gewebe und Ödemisierung werden verhindert. Kompression (z.B. mit einer adaptiven Kompressionsbandage) bewirkt das Gleiche wie Kühlung auf mechanischem Wege. Mit einem Zinkleimverband erzielt man sowohl Kompression als auch Kühlung. Hochlagerung schließlich (am besten über Herzhöhe) setzt die hydrostatische Druckbelastung der Verletzung herab und fördert den venösen und lymphatischen Flüssigkeitsabfluss Diese Maßnahmen sind als Ersttherapie zu verstehen und sollten nur bei leichten Verletzungen von den Patient:innen selbst oder von Ersthelfer:innen angewendet werden. Bei schwereren Verletzungen ist unbedingt zusätzlich ärztliche Hilfe aufzusuchen. Red Flags sind hier: Contusio an Schädel und Bauch (besonders bei Kindern!) und unnatürliche Lage der betroffenen anatomischen Strukturen.
Von Analgetika, Pflaster und Wärmepads bis zum Aufbautraining
Bei starken Schmerzen können Schmerzmittel unterstützend zum Einsatz kommen, allerdings ist gerade bei Sportverletzungen darauf zu achten und die Patient:innen sollten deutlich darauf aufmerksam gemacht werden, dass Schmerz ein Warnsignal ist, und die Ruhigstellung der betroffenen Strukturen auch bei erzielter Schmerzminderung durch Medikamente oberstes Gebot für die Heilung ist. Zwar ist von Spitzensportler:innen bekannt, dass sie nach einem Sportunfall „fitgespritzt“ nach einigen Stunden wieder an den Start gehen, aber das sollte im Alltagsleben keine Richtschnur sein. Besonders Sehnen, Bänder und Gelenkskapseln benötigen aufgrund ihrer Bradytrophie längere Zeit zur Heilung, eine zu frühe Belastung kann zu einer Funktionseinschränkung dieser Strukturen führen, die Folgen: Gelenksinstabilität, Inkongruenz und mit der Zeit Arthrose.
Bei Zerrungen sollte nach einigen Tagen Schonung (zur genauen Dauer sollte ärztlicher Rat eingeholt werden) vorsichtig mit einer leichten Belastung begonnen werden und nun sind mit dem Rückgang der Entzündungszeichen auch wärmende Maßnahmen (Massagen, Wärmepflaster, Wärme-Pads, wärmende Cremes) vorteilhaft. Sie fördern die Durchblutung, lösen damit Verkrampfungen und Verspannungen und beschleunigen so den Heilungsprozess. Wichtig ist, dass die Belastung nur langsam gesteigert wird und davor gut „aufgewärmt“ wird. Mit dem langsamen und konsequenten Aufbautraining wird verhindert, dass Reparaturgewebe entsteht, welches in weiterer Folge häufig eine Schwachstelle für weitere Verletzungen darstellt. 2 3
Autor: OA Dr. Eiko Meister ist Intensivmediziner und Internist an der Erstuntersuchung-Beobachtung-Aufnahme (EBA) des Universitätsklinikums Graz
Quellen:
1.Lehrbuch Orthopädie: Was man wissen muss. Berlin Heidelberg : Imprint: Springer: Farshad, Mazda; 2021.
2. Vuurberg G, Hoorntje A, Wink LM, et al. Diagnosis, treatment and prevention of ankle sprains: update of an evidence-based clinical guideline. Br J Sports Med 2018; 52(15): 956.
3. Tamborrini G, Leumann A, Fromm L. Muskelverletzungen im Fussball: «what you need to know». Jatros Orthopädie und Traumatologie, 2019. www.universimed.com/at/article/orthopaedie-traumatologie/muskelverletzungen-im-fussball-what-you-need-to-know-2107163