Männer mit überaktiver Blase (ÜAB)
Wenn dauernd die Natur ruft
Ein überfallartiger, schwer beherrschbarer Harndrang, häufig wasserlassen und nachts mehrmals aufstehen müssen – sowohl Männer als auch Frauen mit ÜAB müssen ihr Leben in hohem Maß nach ihrer Blase ausrichten. Allerdings gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf die Symptome und die Behandlungsmethoden. Welche Besonderheiten es bei Männern gibt, lesen Sie hier.
Lesedauer: 1,5 min

Schlüsselsymptom Harndrang
Symptome des unteren Harntrakts („lower urinary tract symptoms“, LUTS) umfassen Speicher- und Entleerungssymptome und Beschwerden nach der Blasenentleerung. Personen mit einer ÜAB müssen mehr als 8× pro Tag und mindestens 2× pro Nacht wasserlassen und leiden unter Pollakisurie. Der imperative Harndrang kann sich bis zu einer Dranginkontinenz mit unwillkürlichem Urinverlust steigern.1,2 Die Häufigkeit der Beschwerden einer ÜAB nimmt bei sowohl Frauen als auch Männern mit dem Alter zu, Dranginkontinenz ist bei Männern jedoch seltener.3,4
Differenzialdiagnosen sind zahlreich
Bei Verdacht auf eine ÜAB sind die Basisuntersuchungen zunächst bei beiden Geschlechtern gleich.5,6
- Ausführliche Anamnese einschließlich der Begleiterkrankungen, vorheriger Operationen und der Medikamenteneinnahme
- Urinanalyse inkl. Urinkultur zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion und metabolischer Störungen
- Serumkreatinin
- Bestimmung des Blasenrestvolumens nach der Blasenentleerung (post-void residual, PVR)
- Auswertung eines Blasentagebuchs über 2–3 Tage
- Abklärung einer neurologischen Ursache
Für die spätere Therapie ist es wichtig, eine idiopathische ÜAB sicher von einer ÜAB mit anderen Ursachen abzugrenzen, beispielsweise ÜAB durch benigne Prostatahyperplasie (BP), Prostata- oder Harnblasenkarzinome, Harnwegsinfekte oder interstitielle Zystitis.7 Bei Männern kommen zahlreiche Differenzialdiagnosen in Betracht, die zu irritativen Miktionsbeschwerden (LUTS) führen können:

Abb. 1: Ursachen einer ÜAB-Symptomatik auf einen Blick (mod. nach 7,8)
Therapie konservativ beginnen
Die Behandlung soll grundsätzlich mit dem konservativsten Ansatz beginnen, besonders bei älteren Betroffenen wird zu nicht-pharmakologischen Maßnahmen geraten.9 In einigen Fällen können bereits Lebensstil-Anpassungen die Symptome deutlich bessern.7 Diese Maßnahmen sollten auch während einer Pharmakotherapie fortgeführt werden. Dazu zählen:
- Blasentraining
- Stressabbau
- richtiges Timing der Flüssigkeitsaufnahme
- Abbau von Übergewicht
- Verzicht auf Rauchen, Kaffee und Alkohol
- Beckenbodentraining
Pharmakotherapie: Risiko für akuten Harnverhalt im Blick behalten
In den meisten Fällen kann die Behandlung von der Hausärztin bzw. dem Hausarzt eingeleitet werden. Häufig wenden sich Männer direkt an Urologinnen und Urologen, eine Überweisung dorthin ist aber spätestens dann nötig, wenn die Fälle komplex oder die Symptome therapieresistent sind, bzw. wenn häufige Harnwegsinfektionen oder Hämaturie auftreten.5
Medikamentöse Behandlung der ÜAB:5,10
- Anticholinergika (bzw. Antimuskarinika) sind in der Regel erste Wahl. Ein Problem bei der Anwendung von Anticholinergika bei Männern ist das Risiko eines akuten Harnverhalts, insbesondere bei gleichzeitiger ÜAB und Obstruktion des Blasenausgangs. Dieses Risiko sollte man vor allem im ersten Behandlungsmonat im Blick behalten.
- Bei ÜAB aufgrund von BP kann mit Alphablockern behandelt werden.
- Die Kombination von Anticholinergika und Alphablockern kann bei Männern effektiver sein als eine Monotherapie.
- Männer können auch von PDE5-Inhibitoren profitieren.
- Beta-3-Agonisten
- Desmopressin
- trizyklische Antidepressiva
- bei nachgewiesener Detrusorüberaktivität: Botulinumtoxin-Injektionen in den Detrusor5,7

Abb. 2: Diagnose- und Therapie-Algorithmus (mod. nach5)
Quellen:
1 Kurosch M et al. [Diagnosis of overactive bladder (OAB)]. Urologe A. 2015;54(3):421-427; quiz 428-429.
2 Reinke C. Lower Urinary Tract Symptoms (LUTS) und hyperaktive Blase beim Mann. J UROL UROGYNÄKOL. 2008;10(4):30.
3 Coyne KS et al. The prevalence of lower urinary tract symptoms (LUTS) and overactive bladder (OAB) by racial/ethnic group and age: results from OAB-POLL. Neurourol Urodyn. 2013;32(3):230-237.
4 Reisenauer C. Überaktive Blase – aktuelle diagnostische und therapeutische Aspekte. Der Gynäkologe. 2019;52(3):188-194.
5 Eapen RS, Radomski SB. Gender differences in overactive bladder. Can J Urol. 2016;23(Suppl 1):2-9.
6 Bauer R. Überaktive Blase – auf der Suche nach der individuell besten Lösung. Forum Sanitas. 2014;3:37-39.
7 Mordasini L et al. Überaktive Blase (OAB) beim Mann. Urologie in der Praxis. 2021;23(3):97-103.
8 Gratzke C et al. EAU Guidelines on the Assessment of Non-neurogenic Male Lower Urinary Tract Symptoms including Benign Prostatic Obstruction. Eur Urol. 2015;67(6):1099-1109.
9 Burkhard FC et al. EAU Guidelines on Urinary Incontinence Stand 2017. unter: uroweb.org/eau-guidelines/discontinued-topics/urinary-incontinence (abgerufen am 05.09.2022).
10 Wiedemann A. Nykturie – ein quälendes Problem. Forum Sanitas. 2019;2.