Patient:innen mit Harnwegsinfekt, gut beraten in der Apotheke. 1

 

Häufig suchen Frauen mit einem Harnweginfekt auch oder als Erstes Rat in der Apotheke, kein Wunder, ist doch fast jede 2. Frau zumindest einmal in ihrem Leben von einem Harnwegsinfekt betroffen. Frau-Sein ist leider eine wesentliche Voraussetzung für einen Harnwegsinfekt, denn Frauen haben eine viel kürzere Harnröhre als Männer. Bei ihnen müssen Infektionserreger von der Harnröhrenmündung zur Harnblase, wo sie sich ansiedeln und Entzündungen hervorrufen, nur etwa 4 Zentimeter zurücklegen, während es beim Mann beachtliche 20 Zentimeter sind. Demzufolge sind nur etwa 2% der von einem Harnwegsinfekt Betroffenen Männer.

Weitere wichtige Risikofaktoren für eine Infektion der Harnwege sind sexuelle Aktivität und zunehmendes Lebensalter, wenn durch die abnehmende Östrogenproduktion eine Atrophie der Vaginalschleimhaut und eine Verschiebung der Vaginalflora von Laktobazillen zu Enterobakterien stattfindet. Viele Frauen klagen über rezidivierende Harnwegsinfekte. Brennende Schmerzen beim Urinieren, Harndrang und Krämpfe im Unterbauch sind Leitsymptome. Der Harn kann trüb sein, übelriechend, in akuten Fällen sogar blutig.



Abklärung und Behandlung Harnwegsinfekten


In der Apotheke ist es wichtig, zu erkennen, wann Ratsuchende unbedingt an Ärzt:innen zu verweisen sind – in aller Regel sind das der Allgemeinmediziner:innen. Dies ist dann der Fall, wenn ein komplizierter Harnwegsinfekt zu vermuten ist: Fieber und Nierenschmerzen (Flankenschmerz) deuten auf einen oberen Harnwegsinfekt hin. Situationen, in denen ein Harnwegsinfekt automatisch als kompliziert gilt sind außerdem: männliches Geschlecht (wegen der Gefahr einer Mitbeteiligung der Prostata), Kinder, Schwangere, funktionelle oder anatomische Besonderheiten des Harntraktes und vorbestehende Nieren- oder Harnwegserkrankungen (z.B. Nierensteine).

Der bei weitem häufigste Infektionserreger (in etwa 80% der Fälle) ist Escherichia coli, der aus der Darmflora über den Vaginalbereich zur Harnröhrenmündung gelangt und von dort aszendiert. Deswegen ist die richtige Körperpflege nach dem Stuhlgang schon bei kleinen Mädchen zu trainieren. Eher selten verursachen Pilze, Viren oder Parasiten einen Harnwegsinfekt.

Meistens kommt es aber trotz korrekter Hygiene zu einem Harnwegsinfekt und es gibt viele Möglichkeiten, die das Eindringen von Keimen in den Harntrakt begünstigen: ein durch Stress geschwächtes Immunsystem, hormonelle Umstellungen in der Schwangerschaft und Menopause, häufiger Geschlechtsverkehr, Verhütung mit Scheidendiaphragmen, Spermiziden oder DMPA (Depot-Medroxyprogesteron-Acetat), häufiges Schwimmen, Unterkühlung und eine zu geringe Trinkmenge. Grunderkrankungen, wie ein Diabetes mellitus, Fehlbildungen und Fehlfunktionen im Harntrakt (z. B. vesikoureteraler Reflux oder bei Männern Prostatahyperplasie).

In der Akutbehandlung kommen Antibiotika, Spasmolytika und Analgetika zum Einsatz. Bei rezidivierenden Harnwegsinfekten kann auch eine Immunprophylaxe durchführt werden: Dabei Bestandteile von abgetöteter Infektionserreger oral oder parenteral appliziert. Beide Methoden verhindern nachweislich das Wiederauftreten von Harnwegsinfekten.


Beratung von Harnwegsinfekten in der Apotheke – Maßnahmenübersicht


  • Eine ausreichende aber nicht zu hohe Trinkmenge (1,5 bis 2 Liter pro Tag), damit einerseits genug Harn produziert wird, um Bakterien auszuschwemmen, andererseits körpereigene Abwehrstoffe des Urins gegen Bakterien nicht zu stark verdünnt werden. Harntreibend wirken Tees mit Birkenblättern, Brennnessel, Bruchkraut, Goldrutenkraut oder Hauhechelwurzel.
  • Bei regelmäßigem Konsum von Fruchtsäften aus Beeren und/ oder probiotisch fermentierten Milchprodukten ist die Rate an Rezidiven von Harnwegsinfekten niedriger.
  • Adipositas mit einem BMI über 30 erhöht das Risiko von Harnwegsinfekten um den Faktor 2,5 bis 5. Eine Gewichtsnormalisierung hat neben den Vorteilen für die Herzgesundheit also auch bei Harnwegsinfekten eine positive Wirkung.
  • Der Toilettengang nach dem Geschlechtsverkehr kann Keime aus der Harnröhre ausschwemmen.
  • Füße und Beckenbereich warm halten.
  • Wirkstoffe, die die Adhäsion der Bakterien an die Mucosa der Harnwege hemmen, sind: Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure und Mannose. Für Cranberry-Produkte zeigt eine rezente Cochrane-Analyse, dass sie vor allem bei Frauen, aber auch bei Kindern mit rezidivierenden Harnwegsinfekten das Risiko symptomatischer in der Bakterienkultur positiver Infekte senken. 2
  • Desinfizierend in den Harnwegen wirken Bärentraubenblätter, Brunnenkressekraut, Meerrettichwurzel und weißes Sandelholz. Sie senken nachweislich die Rate an Harnwegsinfektionen. Bärentraubenblätter und Sandelholz sollten allerdings nicht länger als einen Monat eingenommen werden.

 



Univ.-Prof. Dr. Bernhard Metzler, Universitätsklinik Innsbruck

 

Quellen: 

1. Interdisziplinäre S3 Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Hrnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Register-Nr. 043/044. Langversion 1.1-2, 2017. portal.dimdi.de/amispb/doc/pei/Web/2611260-palde-20071101.pdf (accessed 2022-11-15).
2. Williams G, Hahn D, Stephens JH, Craig JC, Hodson EM. Cranberries for preventing urinary tract infections. Cochrane Database Syst Rev 2023; 4(4): Cd001321.


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